Die Richtlinien und Handbücher für Projektmanagement werden immer dicker. Wer heute ein Projekt managen will, muss zuerst einmal einige tausend Seiten lesen: PMBOK® Guide, Kompetenzbasiertes Projektmanagement (PM4), Managing Successful Projects with PRINCE2®, Scrum Guide, Lean Startup und noch vieles andere mehr sind Pflichtlektüre. Zumindest machen uns dies die Vertreter:innen der jeweiligen Interessensgruppen glauben.
Ich zeige Ihnen, wie es einfacher geht. Sie brauchen nur drei Listen. Für jedes Projekt. Von der Organisation eines Online-Workshops bis zur globalen regenerativen Energieversorgung. Bei letzterer brauchen Sie freilich noch ein paar Millionen weitere Projektmanager:innen, die jeweils ihre eigenen drei Listen haben, während Sie bei einem Kleinprojekt alles selbst in der Hand halten. Aber das Prinzip ist immer dasselbe.
Personen, Ergebnisse, To-Dos
Mehr braucht es in der Tat nicht:
- Liste aller beteiligten Personen mit Kontaktdaten
- Liste der zu erstellenden Ergebnisse mit Abnahmekriterien
- Liste der durchzuführenden Aufgaben mit Termin, Zuständigkeit und Status
Damit das funktioniert, müssen Sie lediglich eines beachten: Sobald eine dieser Listen länger wird, als dass Sie sie noch vollständig überblicken können (d.h. wenn Sie nachts um 2 Uhr aufgeweckt werden, auswendig hinschreiben können), müssen Sie einen Cluster (Personen, Ergebnisse To-Dos) an jemanden delegieren.
Zu beweisen sind nun zwei Dinge:
- Diese Listen sind ausreichend, um ein Projekt zu managen
- Alle anderen Elemente der bestehenden Projektmanagementsysteme können auf diese drei Listen zurückgeführt werden.
Nichts einfacher als das.
Die 3 Listen reichen aus
Um das zu verstehen, müssen wir uns lediglich anschauen, was ein Projekt eigentlich ist. Kurz und knapp: „Ein Projekt ist die Absichtserklärung einer natürlichen oder juristischen Person, ein System in einen neuen Zustand zu versetzen, der nicht durch die laufenden Geschäftsprozesse erreicht werden kann.“ Ein Projekt zielt also auf einen neuen Zustand ab und ist damit auch beendet, wenn dieser Zustand erreicht ist. Es ist also vollständig charakterisiert durch eine Beschreibung dieses neuen Zustands.
Im einfachsten Fall wird dieser neue Zustand durch einen einzigen Satz beschrieben, z.B.: „Ich glaube, dass sich unsere Nation verpflichten sollte, vor dem Ende dieser Dekade einen Mann zum Mond zu bringen und sicher wieder zurück zur Erde“. Aus Sicht John F. Kennedys eine vollkommen ausreichende Beschreibung des Projektergebnisses. War ja auch ein ziemlich überschaubares Projekt. Wenn Sie hingegen ein aufwendigeres Projekt als die Mondlandung verantworten, werden Sie in Ihrer Ergebnisliste schon ein paar mehr Punkte haben. Aber Achtung! Sobald Sie diese Liste nicht mehr auswendig runterschreiben können, müssen Sie einige Punkte zusammenfassen und an jemanden delegieren.
Und damit sind wir schon bei der zweiten, unverzichtbaren Liste: Der Kontaktliste der Stakeholder:innen. Egal, welche:n Projektmanager:in Sie nach dem wichtigsten Aspekt beim Projektmanagement fragen, werden Sie sinngemäß die Antwort erhalten: Die beteiligten Menschen. Und da Kommunikation der entscheidende Erfolgsfaktor ist, brauchen Sie eine Liste aller beteiligten Menschen mit ihren Kontaktdaten (derzeit E-Mail-Adresse und Mobilnummer).
Jetzt fehlt nur noch die Verbindung von Ergebnissen und Menschen: Wer macht was? Deshalb brauchen wir die dritte Liste, die To-Do-Liste.
Das war’s auch schon. Menschen arbeiten zusammen und liefern Ergebnisse. Projektmanagement. What else?
Alles andere lässt sich daraus ableiten
Natürlich fragen Sie sich jetzt zu Recht: Das kann doch nicht alles sein – was ist mit Kosten, Risiken, Terminplänen und so weiter und so fort? Diese basieren letzten Endes alle auf diesen drei Listen. Ehrlicherweise muss ich jetzt gestehen, dass ich das hier nicht beweisen kann. Denn dann müsste ich ja die oben erwähnten, mehreren tausend Seiten hier wiedergeben. Darauf habe ich aber keine Lust. Und Sie würden es kaum lesen. Stattdessen zeige ich beispielhaft auf, wie sich weiterführende Aspekte immer wieder auf diese drei Listen zurückführen lassen.
Kosten und Finanzierung
Fangen wir mit den Kosten an: Ergänzen Sie bei der Ergebnis- und der To-Do-Liste eine Spalte „Kosten“. Bei der Stakeholderliste ergänzen Sie die Spalte „Finanzierung“. Schreiben Sie hinter jedem Ergebnis und hinter jedem To-Do, wie hoch die dadurch anfallenden Kosten sind. Die Summen dieser beiden Listen müssen gleich sein. Wenn nicht, haben Sie entweder To-Dos vergessen oder waren zu optimistisch bei einigen Kostenschätzungen.
Hinter jede:n Stakeholder:in schreiben Sie, wie viel er:sie zum Projektbudget beiträgt. Die Summe ergibt das zur Verfügung stehende Projektbudget. Wenn das weniger ist als die Kosten, brauchen Sie das Projekt erst gar nicht beginnen. Ein kleines Geheimnis aus der Praxis: Das Budget muss 2,5 mal so groß sein wie die ermittelten Kosten. Das weiß jede:r erfahrene:r Projektmanager:in. Die anderen erzählen was von Risikobudget, Änderungsbudget und finanziellem Puffer.
Risiken
Ihr:e Controller:in, Auftraggeber:in, PMO-Leiter:in oder sonst jemand möchte die Risikoliste Ihres Projekts sehen? Die haben Sie in wenigen Minuten. Sie kopieren die drei Listen untereinander in eine neue Liste und ergänzen drei Spalten mit den Überschriften „Risiko“, „Wahrscheinlichkeit“ und „Auswirkung“. In die Spalte „Risiko“ schreiben Sie bei den Personen „fällt aus“, bei den Ergebnissen „klappt nicht“ und bei den Aktivitäten „verzögert sich und wird teurer“. In die anderen beiden Spalten schreiben Sie jeweils „gering“. Fertig ist die Risikoliste.
Sie meinen, das genügt nicht? Stimmt. Aber in der Praxis kommt es immer auf dieses Ergebnis raus. Aufwendige Risikoworkshops dienen dazu, solange über die Risiken zu reden, bis ihre Eintrittswahrscheinlichkeit und ihre Auswirkung als gering eingeschätzt werden. Letztendlich hängt ein Projekt immer davon ab, ob es von den Entscheider:innen gewollt und den Umsetzer:innen vorangetrieben wird.
Wenn Sie ein Risikomanagement durchführen wollen, das seinen Namen wirklich verdient, können Sie natürlich in die Details gehen und bei jedem Punkt gezielt nachfragen:
- Was müsste geschehen, damit dieses Ergebnis nicht klappt?
- Welche Umstände könnten diese Tätigkeit verzögern?
- Welche Ereignisse würden zu einer Kostensteigerung bei dieser Tätigkeit führen?
- Wer kann diese Person ersetzen, wenn sie ausfällt?
Das ist bereits ein hervorragender Start für ein professionelles Risikomanagement.
Abhängigkeiten und Wechselwirkungen
Kosten und Risiken waren einfache Beispiele für Perspektiven, die sich einfach durch eine Erweiterung der drei Listen darstellen lassen. Kompliziertere Dinge wie z.B. Kommunikationspläne oder Ressourcenmanagement erfordern einen aufwendigeren Schritt: Die Kombination zweier oder sogar aller drei Listen. Am einfachsten geschieht dies mit Hilfe einer Matrix bzw. Tabelle. Eine Liste (z.B. die Stakeholder:innen) bildet die Zeilentitel, die andere Liste (z.B. Ergebnisse) die Spaltenüberschriften. In die Zellen dieser Tabellen können dann die Abhängigkeiten von betroffener Zeile und Spalte geschrieben werden. Z.B.: „Herr Müller / Frau Maier spezifiziert/erstellt/prüft das Ergebnis 0815“.
Beispiel: Business Case
Um zu demonstrieren, dass auf den drei Listen grundsätzlich das gesamte Projektmanagement aufbaut, stelle ich kurz vor, wie sich ein Business Case daraus ergibt. Den Business Case habe ich deswegen dafür gewählt, weil ich dabei verdeutlichen kann, dass die drei Listen lebende Dokumente sind und kontinuierlich studiert, überprüft, gepflegt werden müssen.
Für einen Business Case müssen wir im Wesentlichen wissen, worum es geht, wer die Stakeholder:innen sind und wie sie das Projekt unterstützen, welche Kosten entstehen, wie das Vorhaben finanziert wird und welchen Nutzen es hat. Bis auf den Nutzen haben wir schon alles.
Wie würden Sie den Nutzen mit Hilfe der drei Listen abbilden?
Ganz einfach. Beim Nutzen frägt sich immer als erstes: Wem nutzt das? Wer hat was davon? Wir gehen also die Stakeholderliste durch und schreiben in eine weitere Spalte, welchen Nutzen diese oder jene Person sich vom Projekt erhofft. Nun kann eine interessante Situation eintreten: Wir finden keine einzige Person, die einen relevanten Vorteil davon hat, wenn dieses Projekt sein Ergebnis erzielt. Natürlich kann es sein, dass dies daran liegt, dass das Projekt ganz einfach keinen Nutzen hat. In den meisten dieser Fälle haben wir aber ganz einfach genau diese Stakeholder:innen vergessen.
Wir müssen also die Liste der Stakeholder:innen um diejenigen erweitern, die von einem erfolgreich durchgeführten Projekt profitieren. Dies sind die Nutzer:innen des Projekts – zu unterscheiden von den Benutzer:innen der im Projekt erstellten Ergebnisse. Aber das ist ein anderes Thema, das ich bald ebenfalls hier behandeln werden.
Als nächsten Schritt filtern wir aus der Stakeholderliste die Nutzer:innen heraus und stellen sie in einer Tabelle den Projektergebnissen gegenüber. In die Tabellenzellen schreiben wir nun hinein, wie das jeweilige Ergebnis zum benannten Nutzen beiträgt. Hier kann es zwei Überraschungen geben:
- Es gibt erhoffte Nutzeffekte, die von keinen Ergebnissen unterstützt werden
- Es gibt Ergebnisse, die zu keinerlei Nutzen beitragen
Das sind gute Gründe, das Projekt zu überprüfen und ggf. neu zu planen.
Sie haben ein neues Projekt aber keine Ahnung? Schreiben Sie 3 Listen!
Wie Sie sehen, die vielen Best Practices, die in den oben angeführten Lehrbüchern beschrieben werden, haben schon ihren Sinn und Zweck. Und sie können letztlich immer auf die drei Listen zurückgeführt werden.
Wenn Sie also noch nie ein Projekt gemacht haben: Keine Pank – drei Listen reichen!