Das Minimum Viable Product

Erstellt mit Dall-E

Neulich ging ich mit meinem Hund im Wald spazieren. Da sah ich einen Waldarbeiter, der mit einem Bindfaden vor einem Baum stand. Er war sehr beschäftigt, lief um den Baum herum, wickelte den Bindfaden mal auf, mal ab, hing den Faden über einen Ast, nahm ihn wieder herunter. Ich ging auf den Mann zu und fragte: „Was haben Sie denn mit dem Bindfaden vor? Ist das ein Kunstprojekt? Wollen Sie den Baum irgendwie markieren?“

Der Mann antwortete: „Nein, ich möchte den Baum fällen!“

Ich: „Mit dem Bindfaden?“

„Ja, das muss ja nicht gleich perfekt sein, aber es geht darum, ins Handeln zu kommen.“

„Also, wenn Sie den Baum fällen wollen, dann hilft Ihnen ein Bindfaden nichts. Dann müssen Sie sich schon eine Säge besorgen. Am besten eine Kettensäge. Dann können Sie den Baum – vorausgesetzt Sie haben dafür eine Genehmigung – in wenigen Minuten fällen.“

„Ja, das ist sicher richtig. Aber dafür müsste ich jetzt wieder zurückgehen, mit dem Auto in den Baumarkt fahren, dort eine Kettensäge kaufen und wieder hierhergehen. Aber der Förster kommt in einer Stunde vorbei und dem muss ich zeigen, dass ich den Auftrag anpacke und nicht nur etwas vorbereite oder plane.“

„Okay. Aber mit dem Bindfaden – wie soll das gehen?“

„Was wäre denn Ihr Vorschlag? Auch wenn das jetzt nur ein Bindfaden ist, was wäre Ihr erster Schritt, um den Baum zu fällen? Natürlich ist das nicht perfekt, das muss es auch noch gar nicht sein. Ich brauche jetzt erst mal ein Minimum Viable Product, das man dann Schritt für Schritt weiterentwickeln kann.“

„Nun gut. Also ich würde ganz einfach in den Baumarkt fahren und die Kettensäge kaufen. Dem Förster würde ich halt erklären, dass das der einzige sinnvolle Weg ist. Aber wenn Sie unbedingt mit einem Bindfaden etwas machen wollen, dann könnten Sie ja den Bindfaden an der Stelle, wo Sie den Baum fällen würden, um den Stamm wickeln und dem Förster das als Minimum Viable Product verkaufen.“

„Waaahhhnsinn! Sie sind ein Genie!!! Ja, das ist es! So mache ich das!! Vielen Dank!“

Ich ging mit meinem Hund weiter und dachte über so manche ähnliche Beratungssituation der letzten Jahre nach.